Herzensarbeit togge

Vom Glück des Scheiterns

Was hat Scheitern mit Glück zu tun? Wir alle hoffen, nicht zu scheitern, keine Fehler zu machen, nicht als Versager da zu stehen.

Erfolg steht an erster Stelle in unserer Gesellschaft.

Fehlschläge, Scheitern, dass die Dinge nicht so laufen, wie wir es gerne hätten – jeder kennt diese Erfahrung – und nur wenige sprechen offen darüber.

Der kürzlich verstorbene Extrembergsteiger Ueli Steck sagte einmal in einem Interview, er würde eine Expedition nur dann als gescheitert betrachten, wenn er davon nicht mehr lebend zurückkehren würde. Aus allen Fehlschlägen hätte er bisher immer etwas Gutes ziehen können…

Und ich bin sicher: Wenn wir ihn jetzt noch fragen könnten, er würde seine Sicht über das Scheitern nochmals verändert haben, gerade weil ihm der Fehltritt passiert ist, der ihn das Leben gekostet hat.

Dieser letzte Fehltritt hat ihn im wahrsten Sinne des Wortes in eine neue Dimension katapultiert. Auch wenn er das niemals so gewollt hätte und viele trauernde und schockierte Menschen zurücklässt. Für ihn selber ist aus diesem ultimativen Scheitern ein Quantensprung in eine Welt passiert, in der der Tod nicht mehr als etwas Negatives bewertet und erfahren wird. So denke ich zumindest darüber.

Auf diese neue Sichtweise müssen wir nicht warten, bis der Tod eintritt. Wir können hier und jetzt anfangen, unser Scheitern nicht mehr als sinnentleerte Qual zu erleben, sondern als öffnende und letztlich inspirierende Erfahrung, die uns antreibt und Neues in unser Leben bringt.

Dennoch, scheitern tut weh. Darüber lässt sich nicht hinwegtäuschen.

Schmerzhaft und quälend fühlen wir das Scheitern z.B. dann, wenn eine Beziehung in die Brüche gegangen ist, eine Trennung in der Luft liegt oder sich kein gangbarer Weg in der Partnerschaft mehr zeigen will.

Um den Schmerz nicht fühlen zu müssen, wählen wir oft zwischen zwei Varianten oder einer Kombination davon: Entweder ist der Partner Schuld an der Misere (oder wir fühlen uns schlecht, weil er uns die Schuld daran gibt), oder wir fühlen uns selber schuldig, unfähig, unwert….

Darunter liegt ein tiefer Schmerz, nicht das erreicht zu haben, was wir ursprünglich wollten: Eine erfüllende Liebe.

Dieser Schmerz und alle Gefühle darum herum wie Angst, Enttäuschung, Bitterkeit, Bodenlosigkeit, Verlorensein,… möchten bewusst gefühlt und ins Herz geholt werden.

Erst wenn wir den Schmerz über die momentane Situation ganz fühlen und akzeptieren, können sich neue Sichtweisen öffnen.

Durch die angenommene und gefühlte – nicht verdrängte – Erfahrung des Scheiterns werden wir verständnisvollere und mitfühlendere Menschen. Unser Herz wird empfänglicher, weicher und offener für uns selbst und für andere.

Ueli Stecks letztes Buch hat den eindrücklichen Titel: „ Der nächste Schritt: nach jedem Berg bin ich ein anderer“.

Auch wir können aus jeder gemeisterten Herausforderung als neuer, gereifter Mensch hervorgehen. Weil jede Herausforderung noch nicht entwickelte Qualitäten in uns wachruft. Sei es, dass wir lernen, uns selber besser zu spüren, mehr auf unser Herz zu hören, uns besser abzugrenzen, klarer dem zu folgen, was wir wirklich wollen….

Es kommen manche Menschen mitten in einer (Beziehungs)-Krise zu mir, die zuvor niemals bereit gewesen wären, tief in ihr Inneres zu schauen und ihren Weg fortan mit mehr Bewusstheit und mehr Eigenverantwortung zu gehen.

Die Krise selber hat ihnen die Kraft gegeben, sich auf den Weg zu ihrem Herzen zu machen.

Und darin besteht das Glück des Scheiterns: Es reisst uns aus der Komfortzone und treibt uns an, mehr von unserem Potential zu entwickeln und zum Blühen zu bringen.

Es fordert uns auf, mitfühlender, liebevoller und zärtlicher mit uns selber zu sein.

Wenn etwas nicht so läuft, wie ich gerne hätte, hilft es mir, wenn ich zu mir selber sage: „ Auch wenn dir dieser Fehler passiert ist oder das nicht gelungen ist, mag ich dich trotzdem genau so, wie du bist.“ Ich sage mir selber das, was ich gerne von andern hören würde und das tut gut. Damit gebe ich mir die Erlaubnis, auch ohne perfekt zu sein, mich als ganzer Mensch geliebt zu fühlen.

Herzlich

Anne-Katrin

P.S. „Vom Glück des Scheiterns“ ist ein sehr empfehlenswertes Buch von Pema Chödrön

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