Herzensarbeit togge

Zuhören ohne auszurasten – ein echter Dialog

«Du hörst mir nicht zu! Bist nicht für mich da!»

«Du machst mich wahnsinnig! Das stimmt doch nicht!»

«Ich vertraue dir nicht! Weiss nicht, was ich glauben soll!»

Das Gegenüber sagt etwas und innerlich brennt bei uns eine Sicherung durch. Vielleicht werden wir laut und aggressiv, oder zynisch, arrogant, gleichgültig. Vielleicht ziehen wir uns zurück, sind still und bedrückt, leer und enttäuscht, verschlossen und verbittert….

Wir rasten buchstäblich aus – das kennen wir alle!

Wir fallen zurück in einen Film aus alten Verletzungen und Schreckgespenstern, die oft aus unserer Kindheit stammen. Nur merken wir das in dem Moment nicht. In unserem Gehirn läutet die Alarmglocke. Unser Überlebensinstinkt sagt: Kämpfen, tot stellen oder fliehen. Wir halten alles für völlig real und gerechtfertigt. Aus diesem alten Film heraus reagieren wir auf unser Gegenüber und haben dabei den Bezug zur aktuellen Realität verloren. Wir bekämpfen in unserem Gegenüber den alten Schmerz, den wir nie mehr fühlen wollen. Wir stellen uns tot, indem wir abgestumpft und gleichgültig reagieren, wir fliehen, indem wir uns zurückziehen, oder wir kämpfen, indem wir wütend und angriffig werden.

Unser Gegenüber kann unser Partner/Partnerin sein. Es können aber auch Freunde, Nachbarn, Politiker oder ganz einfach Menschen sein, die anderer Meinung sind als wir.

In jedem Fall lohnt es sich, aus diesem alten Film aufzuwachen und uns selber und unserem Gegenüber wieder mit Verständnis und Mitgefühl zu begegnen.

Wie geht das?

Der erste Schritt besteht darin zu merken, dass sich unser Gehirn im Alarmzustand befindet. Ein wichtiges Indiz dafür liefert unser Körper. Ist er warm und entspannt? Oder ist er unruhig, angespannt, unter Druck, kraftlos und leer oder starr und verschlossen?

Ein anderes Indiz erbringen unsere Gedanken. Sind sie ruhig und konzentriert? Oder kreisen sie wie verrückt um ein und dasselbe Thema? Hegen wir zweifelnde, abwertende oder zynische Gedanken?

Wie fühlen wir uns? Fühlen wir uns friedlich, fröhlich, zuversichtlich, gelassen?  Oder sind wir in Gefühle wie Angst, Wut, Ärger, Frustration, Enttäuschung, Neid, Trauer, Sorge oder Mutlosigkeit verstrickt?

Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um Bewertung. Das eine ist gut, so sollte es sein. Das andere ist schlecht, so sollte es nicht sein. Es geht darum, genauer hinzuschauen, was uns denn in diesen Alarm, in diesen alten Film katapultiert.

Sobald wir uns vom Auslöser des Alarms abwenden und uns mit Interesse unseren eigenen Körperempfindungen, unseren Gedanken und Gefühlen zuwenden, sind wir bereits daran, auszusteigen.

Wenn wir unseren negativen Gefühlen mit Mitgefühl, Verständnis und Erbarmen begegnen und sie so zurück in unser Herz holen, legt sich der Alarm im Gehirn, unser Körper entspannt sich und wir können die Realität wieder nüchtern, klar und ohne Drama erkennen. Vielleicht entwickeln wir sogar Mitgefühl und Verständnis für unser Gegenüber.

Vielleicht wirkt die andere Meinung des Gegenübers plötzlich nicht mehr bedrohlich auf uns, weil wir erkennen, verstehen und mitfühlen, wie sie bei unserem Gegenüber entstanden ist.

So lernen wir zuzuhören, ohne auszurasten.

Wenn wir uns von unserem Partner etwas Unangenehmes anhören müssen, hilft es, dabei mit unserer Wahrnehmung beim Körper und beim Atem zu bleiben. Dies ankert uns in der Gegenwart und hält den Alarm im Gehirn niedrig. Wir sind dann ständig bei uns selber und merken sofort, wenn wir in einen negativen Film abzurutschen drohen.

So verändert sich unsere Kommunikation. Anstatt lange und eindringliche Vorträge zu halten um das Gegenüber zu überzeugen oder umzustimmen fragen wir nach, benennen unsere eigenen Gefühle und hören offen und interessiert zu.

So entsteht ein echter Dialog.

Ein echter Dialog ist etwas Wertvolles, Kostbares, ja, sogar Heiliges! Durch einen echten Dialog können Gräben in der Partnerschaft heilen, aber auch Gräben zwischen Freunden, Geschwistern, Arbeitskollegen und Nachbarn.

Es ist essenziell für unsere Zukunft, dass in Gesellschaft und Politik echte Dialoge gesucht und gefunden werden. Der echte Dialog beginnt mit uns – hier und heute. Möge er gelingen!

Im Paarworkshop vom 20./21. März werden wir viel Gelegenheit haben, uns im echten Dialog zu üben. Die Durchführung wird auf jeden Fall erlaubt sein, wenn wir den Workshop mit zwei Paaren (gesamthaft 5 Personen) abhalten.

Hier folgt noch ein Dialog, den mein Mann und ich schriftlich durchgeführt haben zum Thema unserer mehrtägigen Paarseminare, die wir im Mai und Oktober anbieten werden.

 

Fragen von Mathias an Anne-Katrin

 

1.Mathias: Inwieweit sind die Erfahrungen in dieser Woche in das Alltagsleben übertragbar?

Anne-Katrin: Dazu gibt es zwei Punkte. 1. Eine intensive, gemeinsame Zeit, in der die Partnerschaft im Mittelpunkt stand, wirkt sich als positive, tragende Stimmung im Alltag aus. Es wird ein neuer, tragender Boden geschaffen. 2. Es gibt im Kurs ganz konkrete Instrumente und Übungen, die im Alltag weiterhin angewendet werden können.

2.Mathias: Wird sich unser Sexualleben verbessern oder eventuell auch verschlechtern?

Anne-Katrin: Gemeinsame Erlebnisse, ehrliche Aussprachen, die intensive Zuwendung zueinander über mehrere Tage führt meiner Erfahrung nach zu mehr Authentizität und emotionaler Nähe. Das Gefühl von Nähe und Ehrlichkeit öffnet die Tore zu einer lebendigeren Sexualität.

3.Mathias: Ich habe geheime Wünsche und Sehnsüchte, befürchte aber, dass das Preisgeben meine Partnerschaft belasten würde. Wie gehe ich damit um?

Anne-Katrin: Wenn wir uns mehr öffnen, gehen wir das Risiko ein, abgelehnt oder verletzt zu werden. Das tut zunächst weh, macht aber die Beziehung echter und lebendiger. Ich denke, es ist für beide Beteiligten wichtig, allfällige geheimen Phantasien achtsam und dosiert preiszugeben und dabei in Kontakt mit dem Gegenüber zu bleiben. Dies wird aber nicht explizit Thema der Seminare sein.

4.Mathias: Kann diese Woche unserer Beziehung schaden?

Anne-Katrin: Nein. Es kann allenfalls klärende Momente geben, wenn z.B. Erwartungen, die ihr aneinander habt, nicht erfüllt werden. So bekommt ihr die Chance, tieferliegende Themen anzuschauen, die im Alltag weniger auftauchen. Das führt wiederum zu mehr Nähe und Lebendigkeit.

5.Mathias: Gibt es einen „Gruppenzwang“?

Anne-Katrin: Nein. Jeder und jede kann sich in der Gruppe genau so viel oder wenig äussern, wie er/sie gerade möchte. Es gibt keinerlei Druck oder gar Zwang. Es ist allerdings meist bereichernd und inspirierend, sich mit andern Paaren in einem geschützten Rahmen auszutauschen.

Fragen von Anne-Katrin an Mathias

Anne-Katrin: 1. Was denkst du, was haben Paare davon, wenn sie eines unserer Seminare besuchen?

Mathias: Diese Auszeit ist für eine Beziehung sehr wertvoll. Das Paar beschäftigt sich während mehreren Tagen mit sich selber. Dies haben die meisten wahrscheinlich schon lange nicht mehr gemacht, wenn überhaupt je. Der Staub auf der Beziehung kann weggewischt werden, alte Verhaltensmuster können beleuchtet und transformiert werden. Die Partnerschaft erhält neue Frische.

Anne-Katrin: 2. Was macht es für Männer schwierig, sich für die Teilnahme an einem Paarseminar zu entscheiden?

Mathias: Es ist möglich, dass Männer mehr Mühe haben, sich zu outen. Im Leben haben sie gelernt, stark zu sein und weniger Gefühle zu zeigen. Dies kann anfangs schwieriger sein, als dies für viele Frauen ist. Doch aufgrund des geschützten Rahmens sollte es auch den Männern einfacher fallen, sich und ihre Gefühle zu zeigen.

Anne-Katrin: 3. Wenn du einem Mann drei Tipps mitgeben darfst, die tragend und nährend sind für eine langjährige Beziehung, welche drei sind das?

Mathias:

– Höre mehr zu und lerne, Dich (noch) besser in Deine Partnerin einzufühlen, selbst wenn Dir dies anfangs absurd oder lächerlich erscheinen sollte.

– Lerne, das Leben mit (noch) mehr Leichtigkeit und Humor zu leben. Ich glaube, dies ist für viele Frauen eine der wichtigsten Eigenschaften einer guten Beziehung. Wenn Deine Partnerin erlebt, dass Dich nicht alles so schnell aus der Bahn haut, fühlt sie sich geborgen und beschützt.

– Getraue Dich, verletzt sein zu dürfen, ohne dass Du Deiner Partnerin Vorwürfe machst. Bleib bei Dir, probiere, deine Gefühle «von aussen» zu betrachten und sei nicht zu stolz, Dich auch einmal zu entschuldigen.

-Anerkenne die Stärken Deiner Partnerin.

Anne-Katrin: Was ist deine persönliche Motivation, diese Seminare anzubieten?

Mathias:

Seit Anbeginn unserer Beziehung vor 24 Jahren haben wir uns um deren Qualität gekümmert. Wie wahrscheinlich die meisten Paare haben wir uns geliebt, gestritten, mit Trennungsgedanken gespielt, haben eine Familie aufgezogen, mit inneren und äusseren Problemen gekämpft und diese gemeistert. Doch die ganze Zeit über haben wir uns bemüht, die Beziehung wachsen zu lassen. Mit Workshops, Seminaren, Retreats, Tantrakursen und dgl.

Dies hat unsere Beziehung genährt und das bei bekannten Paaren bemerkte «Abstumpfen» verhindert. Ja, unsere Beziehung ist reicher, fröhlicher und leichter geworden. Gleichzeitig intensiver und belastbarer. Diese Erfahrung und dieses Wissen will ich anderen Paaren weitergeben.

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