Dies ist eine persönliche und wahre Geschichte, die mich zutiefst berührt:
Als ich vier Jahre alt war, haben sich meine Eltern getrennt. Es gab in dieser Zeit kaum Menschen, an die sie sich hätten wenden können in einer Beziehungskrise. So blieb ihnen nur die Scheidung. In meinem Erleben verlief diese Scheidung voller Bitterkeit, Hass und Angst auf beiden Seiten.
Diese schlechten Gefühle hielten die nächsten Jahrzehnte mehr oder weniger an. Sie waren zwar vermindert spürbar, konnten aber jederzeit von neuem erweckt werden.
Beide Eltern sind mittlerweile mehr als 80 Jahre alt. Ungefähr vor zwei Jahren geschah etwas ganz Besonderes, das ich nie für möglich gehalten hätte:
Sie begannen ganz langsam, vorsichtig und aus der Ferne Frieden zu schliessen miteinander.
Mein Vater sagte so etwas zu mir wie: «Weisst du, ich will nicht mit diesen unaufgeräumten Dingen sterben».
Kürzlich feierten wir mit unserer Tochter ihren Maturabschluss. Wir luden nur die engeren Familienmitglieder zum Apero in unseren Garten ein. Es ergab sich eine Situation, die mich tief im Herzen berührt hat und die mir auch jetzt noch Tränen in die Augen treibt, wenn ich daran denke:
Meine Mutter und mein Vater sassen beide friedlich am gleichen Gartentisch. Meine Mutter plauderte fröhlich und entspannt mit der neuen Frau meines Vaters.
Ich habe eine so grosse Achtung vor meinen Eltern, dass sie das scheinbar Unmögliche wahr gemacht haben. Sie sind beide über ihren Schatten gesprungen und haben den jahrzehntealten Groll hinter sich gelassen.
Auch wenn es diese konkrete Situation so nie wieder geben sollte, es hat sich dadurch ein tief heilendes Bild in mir eingebrannt. Der Kreis hat sich nach langer Entzweiung geschlossen: Drei Generationen friedlich und vereint am gleichen Tisch.
Ich danke meinen Eltern von Herzen, dass sie diesen Schritt geschafft haben. Er wirkt sich segensreich aufs ganze System aus.
Ich gehe mit meinem Vater einig: Auch ich will versöhnt sein, wenn ich sterbe.
Und da wir nie wissen, wann unser letzter Tag sein wird, ist der Moment zur Versöhnung immer genau JETZT gegeben. Jetzt können wir den ersten Schritt in Richtung Versöhnung tun. Jetzt können wir unser Herz aufmachen für den Groll, den Hass, die Wut, die vielleicht immer noch in uns schwelt.
Und wie meine Eltern zeigen: Es ist nie zu spät dafür. Die Versöhnung darf zuerst im eigenen Herzen geschehen.
Für einen Streit braucht es zwei Menschen. Für eine Versöhnung reicht einer.
Es reicht, wenn wir die Versöhnung in unserem Herzen vollziehen. Ob die andere Person mitzieht oder nicht, das haben wir nicht im Griff und ist für unseren Seelenfrieden nicht wirklich ausschlaggebend.
Der Streit ist ansteckend. Der Frieden auch.
Wenn wir vorangehen mit der Fackel des Friedens und uns immer wieder neu in die alltäglichen Unstimmigkeiten hinein entspannen, dann wird mit viel Zeit und Ausdauer die Friedenskultur in unserer Familie und unserem Umfeld spürbar.
Die negativen Gefühle dürfen sein und gefühlt werden. Wir lassen aber nicht mehr zu, dass sie wuchern und sich ihre Geflechte wie Pilze über unsere Beziehungen legen. Wenn wir sie bewusst wahrnehmen und ihnen mit Verständnis und Mitgefühl begegnen, anstatt von ihnen beherrscht zu werden, dann können sich unsere Gefühle entspannen.
Unser Herz öffnet sich für uns selbst und fürs Gegenüber.
Friedenskultur lernen und üben wir auch gemeinsam im Workshop vom 2./3. November 24 in Oensingen.
In einer Gruppe von Gleichgesinnten ist die Energie und Ermutigung Neues zu wagen ganz besonders günstig und erhöht, ohne dass wir uns dabei exponieren müssten. Diese Prozesse geschehen vor allem im Innern, werden aber durch das Zusammensein in der Gruppe enorm unterstützt.
Mehr Infos und Anmeldung hier!
Von Herzen
Anne-Katrin