Herzensarbeit togge

Du solltest dich selber mehr lieben! Das auch noch?

Die Sätze, die mit SOLLTE beginnen, waren schon immer meine Lieblingssätze! Du solltest das, du solltest jenes. Das Schlimme ist, dass ich mir das vor allem selber sage, es kommt nicht mal von aussen.

Wenn wir uns sagen, was wir tun sollten, oder wie wir uns fühlen sollten, verpassen wir dabei immer, danach zu forschen, was wir denn tun MÖCHTEN und wie wir uns tatsächlich FÜHLEN.

«Ich sollte liebevoller sein mit meinem Partner», «Ich sollte nicht wütend sein auf meine Kinder», «Ich sollte mehr kommunizieren», «Ich sollte erfolgreicher sein», «Ich sollte die Küche putzen», «Ich sollte mehr oder anderen Sex haben», «Ich sollte dünner sein», …..

Und jetzt sollte ich mich auch noch selber lieben! Vor längerer Zeit habe ich einmal eine Frau, die mit ihrem Mann zu mir kam, auf dieses Thema angesprochen. Direkt und unumwunden sagte sie: «Weisst du, ich kann das nicht. Punkt.»

Genau da hat sie einen ehrlichen Anfang gemacht.

Ich kann das nicht, ich kann mich im Moment nicht selber lieben, so geht es mir gerade. Wenn wir diesem Gefühl von Nicht-Liebe, Unzufriedenheit mit uns selber oder gar Selbsthass mit Verständnis und Mitgefühl begegnen, uns ihm zuwenden und diesen Teil in uns, dem es schlecht geht, in den Arm nehmen und bei ihm sind, dann ist schon ein kleiner Akt von Selbstliebe geschehen. Dann wenden wir uns dem, wie wir im Moment gerade fühlen, aufmerksam und mit Interesse zu, ohne diesen Teil von uns wegzustossen oder zu verurteilen.

Diese Zuwendung zu den eigenen Gefühlen, ganz egal, wie schmerzhaft oder verpönt von der Gesellschaft sie auch immer sein mögen, ist für mich der tiefste Akt von Selbstliebe.

Wir sind dann ganz bei der Qualität des offenen Herzens, wo das, was ist, genau so sein darf, wie es ist. Nur so kann es sich wandeln.

Das gleiche gilt für unseren Partner: «Ich liebe dich dann, wenn du dich verändert hast!» Das wird nie funktionieren. Wir lieben ihn/sie so, wie er jetzt ist, oder wir lieben ihn nicht. Das heisst nicht, dass wir sein Verhalten akzeptieren und keine Grenzen setzen dürfen. Das wäre falsch verstandene Liebe. Wir können das Gespräch suchen, uns selber mit unseren Bedürfnissen und Ängsten offenbaren, wir können uns trennen, oder vorübergehend trennen, wir sind frei.

Und in der Liebe zu uns selber: Es geht nicht darum, dass wir Egoisten werden und uns über die Grenzen und Bedürfnisse anderer hinwegsetzen. Es geht darum, dass wir zu einer wirklichen Intimität mit uns selber finden.

Eine meiner Freundinnen, Barbara Ineichen, ist Maltherapeutin. Sie schreibt jeweils Kurse aus mit dem wunderschönen Titel: «Rendez-vous mit mir selber». Ich wende mich liebevoll mir selber zu, wie ich das bei einem ganz lieben Freund/Freundin tun würde. Ich wende mich mit Interesse meinem Körper zu, meinen Gedanken und Gefühlen, meinen Bedürfnissen und Sehnsüchten, meinen Ideen und Vorhaben….

Wenn ich alleine bin, mache ich mir manchmal bewusst, dass ich nicht einsam bin, sondern mit mir bin.

Ich geniesse die Gesellschaft von mir selber. Ich habe schon einmal einen wunderschönen Skitag mit mir selber erlebt. Oder eine erholsame Wanderung. Am Anfang war das jeweils ein bisschen komisch und ich hatte das Gefühl, es fehle mir jemand, mit dem ich das Erlebte teilen kann.

Mit der Zeit konnte ich mich ganz auf dieses Erleben einlassen und erfuhr, wie viel feiner ich dadurch meine eigenen Impulse, Bedürfnisse und Eindrücke wahrnehmen konnte: Ich setzte mich sofort hin, wenn ich ruhen wollte, ich ass, wenn mir danach war, ich nahm den Zauber der Landschaft intensiver wahr, …

Überleg dir ein Rendez-Vous mit dir selber. Was möchtest du tun/erleben?

 

  • An einem besonderen Ort essen gehen?
  • Schwimmen, tanzen, velofahren oder wandern gehen?
  • Etwas gestalten: Malen, gärtnern, werken, einen Brief an dich selber schreiben?
  • Alleine an einen Anlass gehen?

 

Es lohnt sich, das Allein-Sein bewusst zu pflegen und diese tiefe Verbundenheit mit unserem Innern zu spüren. Niemand kennt uns so gut, wie wir uns selber und mit niemandem sind wir so lange zusammen, wie mit uns selber. Nämlich in jedem Fall lebenslänglich.

Wenn wir es mit uns selber gut haben, sind wir nicht so abhängig davon, was unser Partner gerade richtig oder falsch macht. Wir sind zufriedener mit uns und können deshalb unsere Wünsche und Bedürfnisse besser wahrnehmen und äussern. Dies ohne Druck, dass sie gleich vom Partner erfüllt werden müssen.

Ich SOLLTE mich also nicht lieben, sondern ich merke, dass ich das wirklich MÖCHTE. Einfach deshalb weil es das Leben schöner, leichter und freudvoller macht.

Hier noch ein paar weitere Punkte, die im Alltag helfen können:
  • Darauf achten, wie wir innerlich mit uns selber sprechen. Aufmerksam die kritischen Stimmen beachten, mit denen wir uns selber herabwürdigen.
  • Den perfektionistischen Anteil in uns wahrnehmen, bei dem keine Fehler erlaubt sind.
  • Stehen wir zu dem, wer wir wirklich sind, oder nehmen wir uns aus Angst zurück?
  • Vielleicht gibt es auch einen Anteil in uns, der immer schwarz malt und uns mit dem Worst-Case-Szenario Angst einjagt. Den bewusst wahrnehmen.
  • Wenn wir einen Fehler gemacht haben, zu uns selber sagen: Das habe ich falsch gemacht und ich mag mich trotzdem! So unspektakulär das auch klingen mag. Probiers aus! Es ist verblüffend, wie wir uns wegen kleinsten Fehlern in Frage stellen können.

Uns selber immer mehr zu lieben ist ein lebenslanger Weg. Es mag einfach sein, unsere grosszügigen, liebevollen, fürsorglichen, strahlenden, erfolgreichen Anteile zu mögen. Schwieriger ist es, unser kleines, armseliges Ich, das wir nach Kräften zu verstecken suchen, ans Herz zu drücken. Unser kleines Ich, das Neid, Gier, Feigheit, Geiz, Eifersucht, Faulheit, Lügen und Hass kennt, braucht genauso unsere Zuwendung und einen Platz in unserem Herzen.

Nur so können wir wachsen. Nur so können wir unser kleines Ich und  das kleine Ich unseres Partners/unserer Partnerin verstehen und akzeptieren, anstatt es zu kritisieren und zu bekämpfen. Wenn wir das kleine Ich ins Boot unserer Beziehung holen, kann auch das grosse Ich blühen und gedeihen. Und unser Herz geht auf für die Liebe.

Herzlich

Anne-Katrin

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