Herzensarbeit togge

«Meine Frau hat eine Affäre!»

«Mein Mann hat sich in eine andere verliebt!»

«Ich sollte mich entscheiden, kann es aber nicht. Ich liebe beide!»

«Ich habe mich in eine(n) andern verliebt, obwohl ich das gar nicht wollte!»

«Ich möchte die Beziehung öffnen und mehr als einen Menschen lieben dürfen!»

Das Thema des «Fremdgehens», der «Fremdliebe» begegnet mir so oft in meiner Beratungstätigkeit, dass ich den heutigen Artikel dem widmen möchte.

Ich glaube nicht, dass es jeden Menschen so explizit betrifft, wie in diesen ersten Zeilen beschrieben. Dennoch: Es geht hier um eine alte und urmenschliche Thematik, die uns wohl alle irgendwo angeht. Also sag bitte nicht gleich: «Gott sei Dank nicht mein Thema!».

 

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Behauptung, dass die einzig «richtige» Lebensform die Monogamie sei, teile ich nicht.

Und genauso wenig teile ich die Behauptung, die Polyamorie, die Mehrfachliebe, sei die natürlichste und ursprünglichste Lebensform.

 

Lass uns einen Blick ins Tierreich werfen: Es gibt Tierarten, die leben in Gruppen und nicht in Paaren zusammen. Andere leben in lebenslanger Monogamie als Paar zusammen.

Alles hat seine Berechtigung und kann eine wertvolle Lebenserfahrung sein. Die Frage stellt sich nur: Was will ich – was willst du?

Schmerzhaft wird es dann, wenn nicht (mehr) beide das gleiche wollen. Es wird schmerzhaft für denjenigen, der mehr als einen Menschen liebt, denn er möchte das in freier und lebendiger Weise tun, ohne Geheimnisse, Einschränkungen und Verbote. Für das Gegenüber jedoch fühlt sich das wie ein brutaler Verlust an. Ich fühle mich nicht mehr wirklich geliebt, begehrt, bin nicht mehr die einzige intime Liebe in deinem Leben und das tut unendlich weh.

Ich habe Angst, meinen sicheren Hafen zu verlieren. Diese Zweisamkeit, in der ich mich so ruhig und geborgen gefühlt habe, möchte ich nicht hergeben.

 

Es treten Gefühle auf, die in unserer Gesellschaft aufs Gröbste verpönt, verdrängt und verachtet werden: Es sind dies Gefühle der Eifersucht, Neid, Wut, Groll, Hass, Verachtung, Angst. Und auch Gefühle wie ausgeliefert sein, verloren sein, einsam, allein gelassen, klein und bedeutungslos sein. Diese Gefühle dürfen sein. Sie brauchen einen Platz in unserem Herzen. Sie möchten bewusst wahrgenommen werden. Es bringt nichts, sie zu verdrängen oder zu verleugnen.

 

Wenn du dich in deiner Beziehung in einer solchen Situation befindest, beachte bitte folgende Punkte. Diese Punkte gelten für jegliche Form der Beziehungskrise. Also nicht nur die Thematik der Fremdliebe:

 

  1. Betrachte diese Situation als ganz grosse Chance für dich und deine Entwicklung. Wenn es dir gelingt, diese Situation nicht als deinen Feind, sondern als deinen Freund zu sehen, dann bist du schon einen riesigen Schritt weiter.
  2. Öffne dein Herz für deine Gefühle! Verdränge sie nicht! Versuch nicht, immer stark, weise und positiv zu sein! Eine solche Situation spült in der Regel ganz grosse Schmerzen an die Oberfläche. Wende dich diesen Gefühlen achtsam und in grosser Liebe zu und lass sie da sein. Ja, es schmerzt. Aber es wird vorübergehen und du wirst als gereifter und liebevollerer Mensch daraus hervorgehen. Wenn du deine Gefühle verdrängst und übergehst, könntest du hart, zynisch und bitter werden.
  3. Tu dir selber viel Gutes. Frage dich: Was tut mir jetzt gut? Was brauche ich gerade? Wie kann ICH mir das geben? Sprich dich aus mit Menschen, die dir wirklich zuhören. Suche Menschen, denen es gelingt, eine neutrale Position einzunehmen und konstruktiv zu bleiben. Oder suche dir professionelle Hilfe. Meide Menschen, die aus ihren eigenen Ängsten heraus deine Situation vorschnell verurteilen.
  4. Bleib ganz bei DIR und bei DEINEN Gefühlen. Was willst du wirklich? Worum geht es dir wirklich? Was hat oberste Priorität in deinem Leben? Was bist du bereit, herzugeben? Wo sind deine Grenzen?
  5. Frage dich: Welcher Mann, welche Frau will ich wirklich sein? Wer entscheide ich zu sein? (nicht: ich bin halt einfach so…). Könnte es etwas Schönes geben, wenn ich meine Sichtweise erweitere und öffne? (gilt sowohl für den, der eher monogam, wie auch für die, die eher öffnen möchte). Respektiere deine eigenen Grenzen und handle danach.

Um es klar zu machen: Es gibt kein Rezept des Vorgehens, wenn in einer Beziehung nicht mehr beide die gleiche Lebensform wollen. Es gibt nur Annäherungen und Wege, auf denen beide wachsen können.

 

Einen wichtigen Grundsatz gilt es zu beachten: Wir wollen uns alle sicher, geliebt, verstanden und geborgen fühlen.

 

Wenn es euch als Paar gelingt, dass ihr euch beide geliebt fühlt, obwohl sich einer der beiden noch ab und zu mit jemand anderem trifft, dann könnte diese Konstellation Bestand haben. Das heisst im Klartext, dass deutlich mehr Zeit, Energie und Achtsamkeit in eine solche Konstellation investiert werden muss. Denn das Gleichgewicht wird immer labil bleiben und muss stetig ausgeglichen werden.

Manchmal ist es auch richtig, sich zu trennen und sich innerlich bereit zu machen für den Menschen, der wirklich zu einem passt. Oder es ist gut, klärend und heilsam, eine zeitlang alleine zu leben. Diese Frage kann dir nur dein eigenes Herz beantworten.

 

Der Weg dahin lohnt sich auf jeden Fall. So verschnörkelt und kompliziert er auch immer sein mag. Wenn wir dabei offener, friedvoller, liebender, achtsamer, bewusster und freier werden, dann haben wir unser Ziel als Mensch erreicht.

 

Dieser Entwicklungsweg hin zu mehr Liebe, Achtsamkeit, Frieden und Befreiung geschieht oft auch innerhalb einer monogamen Beziehung. Wenn wir weicher und hingebungsvoller werden, kann es geschehen, dass wir auf einmal entdecken, dass wir unseren Seelenpartner bereits gefunden haben und uns da hinein ganz fallen lassen können.

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