Herzensarbeit togge

Über Eingemachtes, Eingefleischtes und das Verlassen der Komfortzone

Als Kind bin ich einmal mit dem Velo an einem steilen Hang auf dem Eis ausgerutscht und es hat sich beim Abstützen mit der Hand ein winziger Kieselstein in meinen Handballen eingegraben.

Den Stein hat man nicht mehr gesehen, er wurde eingefleischt. Das Gewebe darum herum hat sich entzündet und der Stein musste später operativ entfernt werden. Sobald der Fremdkörper draussen war, heilte die Wunde ganz schnell ab.

Wenn zerstrittene Paare zu mir kommen, kommt es mir manchmal so vor, wie wenn ein „Fremdkörper“ in die Beziehung geraten wäre, der sich dort tief eingefleischt hat, von aussen nicht mehr sichtbar ist und der das ganze Beziehungsgewebe entzündet.

Bei näherem Hinschauen kann es sich dabei tatsächlich um „fremde Körper“ handeln – Geliebte, Eltern, Kinder, Schwiegereltern, Freunde – die sich in die Beziehung eingenistet haben. Diese sorgfältig wieder aus der Paarbeziehung herauszulösen kann ein wichtiger Schritt sein.

Immer jedoch handelt es sich um negative Gefühle, die wie ein Fremdkörper in die Beziehung geraten sind und diese entzünden und gefährden.

Negative (verneinende) Gefühle sind in dem Sinne ein Fremdkörper in uns, als dass sie nicht unserem tiefsten Wesen entsprechen. Unser Herz möchte lieben, lachen und sich freuen. Zumindest am Anfang unserer Beziehung lassen wir meist zu, dass sich die positiven Gefühle ganz ausbreiten dürfen.

Was also tun mit negativen Gefühlen? Wir können sie nicht wie einen Kieselstein einfach herausoperieren und dann sind sie für immer weg.

Bei den Gefühlen hilft nur das Gegenteil: Wir machen unser Herz auf für sie und durchströmen sie so lange mit Liebe und Fürsorge, bis sie sich zufrieden zur Ruhe setzen und den Raum frei geben für schöne Gefühle.

Mit wertschätzenden, liebevollen Gefühlen für uns selber und unseren Partner beruhigt sich jetzt die Entzündung in der Partnerschaft und die Wunde heilt ab.

Das heisst: Wir müssen die Komfortzone verlassen, uns Stück für Stück aus unseren eingefleischten Mustern herausschälen und neues, unbekanntes Terrain betreten.

Ich habe grosse Achtung und Respekt vor Paaren (und Einzelpersonen!), die diese Herausforderung mit viel Mut und Entdeckerfreude annehmen. Sie getrauen sich, den Deckel zu heben und den Scheinwerfer aufs Eingemachte zu richten: Auf die Gefühle, die unter der Oberfläche brodeln und ins Herz geholt werden möchten.

Kürzlich habe ich mit meinem Mann einen Kurs besucht, bei dem ich die Komfortzone verlassen musste. Es ging um alte Ängste und Hemmungen, die einen Teil meines Lebens eng gemacht hatten.

In dem Moment war beides präsent: Die Sehnsucht, aus der alten Routine herauszutreten und die Angst, ob mich denn der neue Boden auch wirklich tragen würde. Ob ich auf etwas Glitschiges treten oder von spitzen Steinen verletzt würde, ob der Weg zu lang und ich am Ende vielleicht gar nicht finden würde, wonach ich gesucht hatte.

Wie unbeschreiblich schön war danach das Gefühl: Ich habs geschafft! Ich habe mich darauf eingelassen, habe die alten Ängste ins Herz geholt und fühle mich jetzt frei, leicht und lebendig!

Dadurch wurde mir noch mehr klar, wie lebenswichtig es für uns ist, immer wieder unsere Grenzen auszudehnen und mehr Weite in unser Leben zu lassen. Unserem wahren Wesen, das lieben und sich freuen möchte immer mehr Raum zu geben, indem wir uns unsere Blockaden und negativen Gefühle bewusst machen und sie ins Herz holen.

Dieser Prozess darf Schritt für Schritt geschehen, ganz im eigenen Zeitmass. Das Schöne (und vielleicht im ersten Moment Erschreckende) ist: Der Weg ist nie zu Ende. Es kommen neue Herausforderungen, die uns wieder das Signal geben, uns auszudehnen. Noch schöner ist, dass wir dabei immer leichter und freier werden dürfen…

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